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Die Demission von drei Vierteln der Geschäftsführung bei der TSG Hoffenheim an diesem Montag kommt einem Erdbeben gleich. Vor allem der Zeitpunkt der Abberufung der sportlichen Leitung birgt Gefahren. Eine kommentierende Analyse.

Der Zeitpunkt seiner Demission birgt Gefahren: Alexander Rosen. IMAGO/Christian Schroedter
Dieser Dienstag hätte für Alexander Rosen eigentlich eine weite Reise vorgesehen. Fahrt nach Kitzbühel ins Trainingslager der Bundesliga-Mannschaft, um deren Form abends beim Test gegen Norwich City (18 Uhr) in St. Johann zu begutachten. Dazu kommt es nicht mehr. Das Kapitel Rosen ist Geschichte in Hoffenheim, der Sportgeschäftsführer wurde bekanntlich am Montag seiner Pflichten entbunden.
Schwegler auch weg? Noch dementiert die TSG
Damit einhergeht ebenso die Trennung vom Technischen Direktor Bastian Huber. Auch Pirmin Schwegler soll nach kicker-Informationen seinen Direktorenposten Profifußball zur Verfügung stellen, auch wenn der Klub offiziell noch dementiert. Der Schweizer ist wie Huber bereits aus Kitzbühel abgereist.
Rein inhaltlich gibt es nicht gerade viele Argumente für die Trennung. Gemessen am Mannschaftsetat landete die TSG in zwei der vier Spielzeiten unter dem Rang, auf dem sie eigentlich tabellarisch einlaufen müsste. Einmal wurde sie zielgenau Neunter, zuletzt als Siebter ließ sie Klubs hinter sich, die mehr Geld in den Profikader stecken. Der einzige akute Grund für die Trennung: Mit Ausnahme der Leihverlängerung David Juraseks von Benfica Lissabon haben Rosen und Co. noch keinen einzigen Transfer eingestielt in diesem Sommer. Angesichts der Herausforderung Europa League suboptimal, speziell mit Blick auf die immer wieder überforderte Innenverteidigung.
Ein Schnitt nach der letzten Saison wäre sauber gewesen
Aber: Rosen hat immer betont, eine schwarze Null erwirtschaften zu wollen und erst Verkäufe zu generieren, ehe der 45-Jährige Geld in den Kader stecken will. Auch, um weniger abhängig von der stillen Einlage von Hauptgesellschafter Dietmar Hopp zu sein. Dass dessen Freund Roger Wittmann über seine Beratungsagentur Rogon immer wieder Profis bei der TSG platziert, schmeckte der sportlichen Leitung nie. Auch wenn das offiziell niemals jemand sagte.
Die sportliche Leitung jetzt zu entlassen, ohne sofort einen Plan B präsentieren zu können, ist fragwürdig und birgt enorme Gefahren. Mitten in der Transferphase, mitten in der heißesten Phase der Vorbereitung, kurz vor dem Pflichtspielauftakt. Ein Schnitt nach der letzten Spielzeit wäre sauber gewesen. So aber riskieren e.V., der ja zumindest wieder am Steuer sitzt, weil Hopp seine Stimmrechte an ihn rückübertragen hat, und Geldgeber, Platz für Alibis bei der Mannschaft zu schaffen im Falle eines Fehlstarts.
Schütz: Vom Mediator zum Vorsitzenden der Geschäftsführung
Wer hat das Sagen bei der TSG? Verein? Mäzen? Eine Teilantwort auf diese Frage liegt in der Nominierung des neuen Vorsitzenden der Geschäftsführung, Dr. Markus Schütz, erst vor wenigen Wochen. Nach kicker-Recherchen stand Rosen bei Hopp bereits vor geraumer Zeit auf der Abschussliste. Damals weigerten sich Interimspräsidentin Simone Engelhardt und ihr Vorgänger, der mittlerweile zurückgetretene Kristian Baumgärtner, noch, Rosen zu entlassen. Hopp setzte Schütz, einen lange mit der TSG verbundenen Rechtsanwalt, als Mediator ein zwischen seiner Person und der e.V.-Führung. Dass der Jurist dann an die Spitze der Spielbetriebs-GmbH kam, dürfte für Rosen schon ein deutliches Zeichen gewesen sein. Warum Engelhardt nun auch vom (ehemaligen) Sportgeschäftsführer abfiel, darüber herrscht allgemeines Rätselraten.
Dass auch der fürs Marketing zuständige Denni Strich im Herbst geht - respektive gehen muss, das branchenübliche aus familiären Gründen sei hier der Form halber erwähnt - dürfte auf sein zerrüttetes Verhältnis zum wichtigen Sponsor Schwarz-Gruppe zurückzuführen sein. Auch der für Innovationen zuständige Geschäftsführer Prof. Dr. Jan Mayer war zuletzt intern nicht unumstritten, wobei seine fachlichen Qualifikation im Klub geschätzt wird, der Wissenschaftler aber stets mit der Boss-Rolle gefremdelt haben soll. Er geht gewissermaßen ins zweite Glied zurück.
Rosens Aus bedeutet nichts Gutes für Trainer Matarazzo
Mit Spannung darf man nun nach Kitzbühel schauen, wo Pellegrino Matarazzo seinen Kader auf die Saison vorbereitet. Rosens Aus bedeutet nichts Gutes für den Trainer. Denn vor seiner Berufung im Frühjahr 2023 stand auch Kenan Kocak weit oben in der Gunst, vor allem auf Seiten Hopps und Wittmanns. Rosen entschied sich für Matarazzo. Nicht die einzige Personalie, bei der es Ärger zwischen Sportchef und Mäzen gab, auch um den Ex-Akademieleiter Jens Rasiejewski tobte ein Machtkampf. Angesichts der Beziehungsgeflechte im Hintergrund könnte ein Blick auf die Liste der Spielerberatungsagenturen, die in den nächsten Wochen Profis im Kraichgau platzieren werden, den ein oder anderen Hinweis auf die wahren Hintergründe für die Bombe geben, die da am Montag in Hoffenheim explodiert ist.
Benni Hofmann